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Symposium #3 BASEL 02/2020 Nachhaltige Beteiligung?!

Vom Schul(um)bau zur Lernraumentwicklung

Die Frage der nachhaltigen Beteiligung stand beim 3. Symposium des Projektes PULS+ (Professionelle Unterstützung in der Lern- und Schulraumentwicklung) im Zentrum. Dass möglichst auch die Nutzenden bei einem Schul(um)bauprozess beteiligt werden sollten, steht kaum in Frage. Jedoch kommt die Beteiligung von Lehrer*innen, Schüler*innen sowie weiteren (pädagogischen) Personals bei Schulneubau oder –umbauvorhaben oder kleineren räumlichen Veränderungsprojekten in der Praxis zu wenig zur Umsetzung. Folgende Fragen wurden näher beleuchtet:

  • Wie gelingt ein Zusammenwirken der Akteure aus Pädagogik, Architektur und Verwaltung, dass Lernen auf vielfältige Weisen möglich wird
  • Wie lassen sich Lernende, Lehrende und Eltern nachhaltig an der Mitgestaltung des Lernortes beteiligen?

Ziel des Symposiums war es, den Dialog zwischen den Akteuren der Architektur, Pädagogik und Verwaltung in der Lernraumentwicklung erfahrbar zu machen, Einblicke in konkrete Beteiligungsprozesse zu ermöglichen und nicht zuletzt das Symposium selbst für eine Vernetzung der Akteure zu nutzen.

Lernraumentwicklung
Schul(um)bau wird heutzutage weniger als ein abgeschlossener Prozess mit Anfang und Ende, sondern eine veränderungsoffene Entwicklung des Lernraumes verstanden. Folgerichtig will die pädagogische Seite ihre Anliegen bei Architektur und Verwaltung nachhaltig einbringen. Lernraumentwicklung bezieht sich sowohl auf Schul(um)bauprojekte als auch «kleinere» Prozesse der Schulraumgestaltung. Im Symposium wurden (mögliche) Formen der Beteiligung aus konkreten Praxiserfahrungen zu Schul(um-)bauten und Schulraumgestaltung diskutiert sowie grundsätzliche Kriterien für gelingende Beteiligungsprozesse formuliert.

Seit 2017 läuft das Erasmus-Plus-Forschungsprojekt auch in der Schweiz als assoziierter Partner in Kooperation mit der PH FHNW (am Institut Primarstufe) und dem Netzwerk für Bildung & Architektur als Schweizer Partner, die über die Stiftung Movetia (zuständig für Austausch und Mobilität) finanziert werden.

Konzeption des Symposiums
Im Symposium wurden Formen der Beteiligung zur Lernraumentwicklung konkret-praktisch sowie auch aus erziehungswissenschaftlicher, soziologischer und historischer Perspektive diskutiert. D.h. es wurden sowohl praxisorientierte Verfahren der konkreten Beteiligung von Nutzer*innen und weiteren Akteuren der Lernraumentwicklung eingebracht. Somit wurden bewusst auch theoretische und praktische Vertreter*innen zum Thema an einen Ort gebracht, um die Möglichkeit zu eröffnen, voneinander zu profitieren.

Dialogischer Einstieg, konkrete Beteiligungsverfahren und Hochschullehrformate
Die rund 80 teilnehmenden Akteurinnen und Akteure aus Architektur, Verwaltung und Pädagogik diskutierten beim Symposium unterschiedliche Möglichkeiten nachhaltiger Beteiligung von Beginn an. Von den Organisator*innen des Symposiums, Cornelia Dinsleder und Ulrich Kirchgässner (der PH FHNW – Pädagogischen Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz) wurde zum Einstieg ein dialogisches Einstiegsformat gewählt, welches alle Teilnehmenden dazu aufforderte, die eigenen Perspektivem zum Thema einzubringen. Dabei wurde bereits auf multiprofessionelle Zugänge geachtet: Einstieg durch eine Schulleiterin von Basel (Sonja Rickhoff), einem österreichischen Schulraumforscher (Franz Hammerer), zwei partizipative Prozessbegleiter*innen aus der Schweiz (Rosmarie Schwarz und Felicitas Sprecher Mathieu) und einem Schweizer Sozialraumforscher (Christian Reutlinger, FH St. Gallen).

Dialogischer Einstieg zur nachhaltigen Partizipation und Lernraumentwicklung

Nach dem dialogischen Einstieg standen konkrete Beteiligungsprozesse im Zentrum, die in drei parallelen Panels vorgestellt wurden.

  • Im ersten Panel erfolgte der Einstieg mit der Bildungswissenschaftlerin Beate Weyland, tätig an der Universität Bozen, die einen Architekturwettbewerb aus Mailand vorstellte, in dem die Vertretung der Stimme der Nutzer*innen am konkreten Beispiel in seinen Herausforderungen und Chancen vorgestellt wurde. Im Anschluss stellte, Fabian Müller, das Konzept partizipativier Prozessbegleitungen von der «drumrum Raumschule» aus Basel vor, welche bereits mehrere Schulneubauten und –umbauten begleitet haben.
  • Im zweiten Panel widmete sich der österreichische Schulraumforscher, Franz Hammerer, dem Thema, wie Schulräume partizipativ gestaltet und erforscht werden können. Micheal Zinner, Professor für Architektur an der Kunstuniversität Linz, ging der Frage nach, wie man Kinder und Jugendliche mitreden lassen kann.
  • Im dritten Panel ging die Naturpädagogin und Innenarchitektin, Karin Dettmar, auf die Bedeutung des Schulhofes als inklusiven Raum für Begegnung, Erholung und Lernen ein. Sie gab dem konkreten Handeln und Erfahren Raum, indem sie mit der Modellierung Umgebungen durch Sand arbeitete. Die Architekt*innen und PULS-Mitglieder Ursula Spannberger und Franz Ryznar (aus Salzburg und Wien) fokussierten bei ihrem partizipativen Ansatz der «RAUM.WERTmethode» auf die Schülerbeteiligung.
Im Symposium wurden die Inhalte auch durch das Modelieren mit Sand vermittelt [Foto | Gay Dale]

Die Partizipation von Schüler*innen kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen – bereits vor dem Architekturwettbewerb oder erst bei der Auswahl von Möbeln. Methodisch gibt es beispielsweise folgende Möglichkeiten: Durch Befragungen (schriftlich oder mündlich), durch Punktvergabe zu bestimmten Räumen, um die «Qualität» von Räumen zu bewerten oder durch die Möglichkeit selbst zu modellieren (Modelle aus Papier, Pappe oder auch Sand). Bedeutsam für eine kontinuierliche Lernraumentwicklung mit einer nachhaltigen Beteiligung ist, dass die Möglichkeit, auch Schüler*innen zu befragen und ihre Perspektive direkt einzubeziehen, überhaupt in Betracht bezogen wird bzw. auch tatsächlich im (Um-)Bauprojekt berücksichtigt wird. Am Nachmittag des zweiten Symposiumstages gab es innerhalb eines offenen Settings einen Markt zur Vernetzung, der die Gelegenheit bot, sich in Bezug auf Möglichkeiten einer nachhaltigen Beteiligung mit rund 15 weiteren Vertreter*innen aus dem politischen Feld, Projekte von Hochschulen oder  von Vereinen und Selbstständigen auszutauschen und ihre Präsentationstische in der Aula zu besuchen, Materialien mitzunehmen, Videos anzuschauen, sich aktiv gestalterisch in einem experimentellen Setting einzubringen und vor allem in Dialog zu treten. Die Eröffnung der Marktphase wurde vom Leiter zu Raum und Anlagen im Erziehungsdepartement der Stadt Basel, Stephan Hug vorgenommen. Er konnte darauf verweisen, dass in Basel mehrfach Schulbauten umgesetzt wurden, bei denen Beteiligungsprozesse moderiert wurden.

Marksituation zur Vernetzung einer interdisziplinären Lernraumentwicklung

Danach war die Auswahl von parallel gehaltenen erziehungswissenschaftlichen Vorträgen zum Thema der Partizipation und Lernraumentwicklung möglich, wobei auf einen historischen Zugang zum Thema Schulbau und Partizipation (von 1800 – 1950) von Marianne Helfenberger eingangen wurde; Christian Reutlinger das Schaffen von Räumen und ihre pädagogische Gestaltung reflektierte und Jan Egger die sozialisatorische Effektivität von Schulanlagen zum Thema machte.

Abschliessend kamen neben den Tagungsorganisator*innen die Diskutant*innen von mehreren Panels zum Wort, die Professurleitung für Unterrichtsforschung und Unterrichtsentwicklung der PH FHNW, Karin Manz und Institutsleiterin für Professions- und Unterrichtsforschung an der PH Luzern, Annette Tettenborn: Sie warfen in ihrer abschliessenden Reflexion die Frage auf, inwiefern durch die partizipativ gestalteten Lernräume das Lernen selbst unterstützt werden kann. Aus ihrer Sicht besteht weiterer Forschungsbedarf innerhalb der interdisziplinären Lernraumentwicklung, die auf Methoden und Theorien der Unterrichtsforschung zurückgreift. Die Architektin und PULS-Kurs-Teilnehmerin, Nicole Wentzel, wendete sich in ihren abschliessenden Worten der Themenstellung der Partizipation zu, indem sie auf Möglichkeiten einer nachhaltigen Partizipation verweist, die anfangs oft mit Hürden konfrontiert ist, die aber mit etwas Mut zu einer Kooperation von Planenden, Verwaltung und Pädagogik führen kann. Die hierarchisch organisierten Expertisefelder (Architektur und Verwaltung) können so zugunsten der Nutzenden und ihrer Bedürfnisse verschoben werden.

Fazit
Der Zugewinn einer multiprofessionel organisierten partizipativen Lernraumentwicklung kann nicht nur in Bezug auf die Steigerung von Lernwirksamkeit gesehen werden, sondern erweitert die professionelle Handlungsmöglichkeiten und liefert Ansätze einer emanzipatorisch ausgerichteten Unterstützung der pädagogischen Seite. Pädagogische Akteure können so für architektonische Raumfragen sensibilisiert werden: Es eröffnen sich Möglichkeiten der (kontinuierlichen) Gestaltung von Lernräumen. Gleichsam lernen auch Architekt*innen, Planende sowie die Verwaltung bei einer ernst gemeinten nachhaltigen Partizipation die jeweilige Schule, ihre pädagogischen Konzepte und das Denken von Räumen durch die Brille von Lernenden sowie Pädagog*innen kennen. Gerade die wechselseitige Perspektivenübernahme und Professionalisierung der involvierten Professionsfelder (insbesondere Architektur und Pädagogik) ermöglichen eine nachhaltige partizipative Lernraumentwicklung.

Musikalischer Ausklang von Ulrich Kirchgässner, Co-Organisator des Symposiums

Autorin Cornelia Dinsleder

Das Veranstaltungsprogramm steht zum Download zur Verfügung und eine Übersicht inklusive der dokumentierten Beiträge sind über das nachfolgende Padlet abrufbar.