Movetia

Exemplarische Schulraumentwicklung

Der gewichtigste Beitrag der Schweiz im internationalen Kontext der Schulraumentwicklung liegt auf der raumplanerischen Ebene. Darin werden sämtliche Schulgebäude, Turnhallen und Aussenanlagen als ein Gesamtsystem betrachtet und die Fragen beantwortet, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen geschätzten Kosten, werden wo welche Instandsetzungs-, Um- und Neubaubauten geplant. Als fundierte Methode zur Beurteilung des Bauzustandes und der pädagogischen Stärken und Schwächen sämtlicher Schulgebäude, wurden die beiden Tools «Stratus» und «Paedagogicus» entwickelt.

Als Fallbeispiele wurden exemplarisch je ein Projekt im urbanen Kontext und ein Projekt in
einem dünn besiedelten ländlichen Raum ausgewählt Im urbanen Kontext fiel die Wahl auf
die Stadt Bern. , im ländlichen Raum auf die Volksschulgemeinde Wigoltingen im Kanton
Thurgau. Die Prozesse der Schulraumentwicklung wurden von der Partnerinstitution, der PH FHNW forschend begleitet.

Ein weiteres von Movetia unterstütztes Projekt bestand in der Vorbereitung und
Durchführung einer Exkursion zu ausgewählten Bildungsbauten mit Schwerpunkt Ostschweiz. Dabei wurde Wert darauf gelegt über den Volksschulbau hinaus auch Hochschulgebäude einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

Phasen einer strategischen Schulraumplanung
Ein wichtiger Schweizer Beitrag im PULS+Projekt, der von Movetia unterstützt wird, liegt
in den Phasen der «Strategischen Planung» vor der häufig beim Schulbau gewünschten
«Phase 0», das heisst, bei der Entwicklung einer kommunalen, fundiert abgestützten,
langfristigen «Liegenschaftsstrategie».

5 Phasen einer systematischen, strategischen Schulraumentwicklung [Grafik | Basler & Hofmann]

Zustandsanalysen nach «Stratus», «Paedagogicus»
Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Liegenschaftsstrategie ist die Analyse des
Bestands an Schulgebäuden und Aussenanlagen. Um die Fakten und Daten zum Bestand
systematisch und nachvollziehbar erfassen zu können, wurden in der Schweiz zwei Analyse-Tools entwickelt, mit welchen neben dem baulichen Zustand die Stärken und
Schwächen aus pädagogischer Sicht beurteilt werden können. Das urheberrechtlich
geschützte Tool «Stratus» kann in Lizenz erworben und angewendet werden. Die
Urheberrechte des vom Autor entwickelten Tools «Paedagogicus» liegen zurzeit exklusiv
bei der Firma Basler & Hofmann AG in Zürich.

Mit dem Tool «Paedagogicus» werden Elemente des Innen- und Aussenraumes, wie Zugang, Eingangssituation, innere Erschliessungen, Unterrichtsräume, Lehrkraftbereich etc. nach den drei Oberkriterien: Raum-, Gebrauchs- und emotionale Qualitäten mit den Wertungen von – 2 bis +2 beurteilt.

Tool «Paedagogicus» zur Ermittlung des Stärke- und Schwächeprofils von Schulgebäuden (Grafik: Basler & Hofmann)

Fallbeispiel 1: Pilotprojekt Um- und Neubauprojekt Stöckacker in der Stadt Bern als Vorreiterin
Nach einer öffentlichen Ausschreibung unter Deutschschweizer Gemeinden schälte sich die Stadt Bern als Gewinnerin heraus. Die Bewerbung setzte voraus, dass die Gemeinde über eine abgeschlossene Liegenschaftsstrategie verfügen müsse. Da es dazu in der Schweiz weder eine sia-Norm noch eine klare Empfehlung seitens einer kantonalen Verwaltung gibt, hat die Stadt Bern auf Quartierebene der Schulraumentwicklung, eine exemplarische Vorreiterrolle eingenommen.

Nachdem ein erstes Projekt im Stöckacker abgebrochen werden musste wurde als Alternativprojekt die Schulanlage Höhe im selben Schulkreis auserkoren. Dabei handelt es sich um einen Ersatzneubau, weshalb eine pädagogische Analyse nicht mehr nötig war und gleich mit der Vorbereitung eines zweistufigen Wettbewerbs begonnen werden konnte. Die erste Wettbewerbsstufe wurde ohne Einbezug der Partner des Projektes und der Betroffenen vorbereitet und ausgeschrieben. Hingegen wurde eine Exkursion durchgeführt, welche dazu diente, hinsichtlich der Ausschreibung des eigentlichen Architekturwettbewerbs, mit freiwilligen Vertreter*innen des Kollegiums, Leitsätze zu formulieren.

Fallbeispiel 2: Langfristige Liegenschaftsstrategie in der ländlichen Volksschulgemeinde (VSG) Wigoltingen (Kanton Thurgau): Analysephase
Im ersten Jahr der Laufzeit des Projektes fragten die beiden Schulleiter der ländlich, dünn besiedelten Volksschulgemeinde Wigoltingen bei PULS um Unterstützung an. Als selbständige Volksschulgemeinde ist sie zuständig für 13 Schul- und Turnhallengebäude an drei verschiedenen Standorten in drei politischen Gemeinden. Da das Projekt in Bern stagnierte, kam die Anfrage zum richtigen Zeitpunkt, um ein breiteres Feld der unterschiedlichen Fragestellungen aufzuspannen, die sich bei Projekten in Zentren oder an der Peripherie stellen. In Wigoltingen waren Schulentwicklung und Schulraumentwicklung während vieler Jahre unklar, so dass ein grösseres bauliches Projekt an der Urne keine Mehrheit fand. Es besteht die Hoffnung, dass durch die sorgfältigen Analysen und partizipative Entwicklung einer langfristigen Liegenschaftsstrategie die jetzige Exekutive wiedergewählt und somit die dringend notwendigen Investitionen vollzogen werden können.

Durchführung eines Reallabors mit Studierenden der FHNW
Die landesübergreifende Zusammenarbeit innerhalb von PULS+ erlaubte als erstes konkretes Projekt die Durchführung eines Reallabors im «Werkgebäude» des Schulstandortes Wigoltingen in Kooperation mit Andreas Hammon, der im selben Kanton Thurgau seinen Wohnsitz und Arbeitsplatz hat.

Reallabor in Wigoltingen [Foto | Andreas Hammon]

Urs Maurer, Schulraumplaner und Pädagoge