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Schulraumentwicklung vermitteln

Um das Thema Schulraumentwicklung in der Schweiz bekannt zu machen und den Fachdiskurs weiter zu entwickeln, wurden im Rahmen des PULS+ Projektes von den Schweizer Projektpartnern neben der Durchführung eines Symposiums im Frühjahr 2020 (s.u.) insbesondere zwei Wege verfolgt: 
1. Exkursion
2. Vorträge, Referate und Artikel

1. Exkursion zu ausgewählten Bildungsbauten mit Schwerpunkt in der Ostschweiz
Die mit über 30 Teilnehmern gut besuchte Exkursion startete im Rheintal im landwirtschaftlichen Bildungszentrum Salez. Hier wurde mittels baubiologisch und bauökologisch naturnahen, hochwertigen Baumaterialien ein vorbildhafter Bau bezüglich Nachhaltigkeit, Gesundheit und Ökonomie erstellt.
So wurde beispielsweise durch ein natürliches Belüftungssystem sehr viel Betriebsenergie eingespart.

Als zweites Objekt besuchten wir den Um- und Erweiterungsbau der denkmalgeschützten Primarschule St. Leonhard im Stadtzentrum von St Gallen.
Bei Architektur, Baukultur und beim Innenausbau wurden wenig Kompromisse gemacht und hochwertige Materialien verwendet

Pausenplatz auf dem Dach des Neubaus: Die Gestaltung erinnert an Marokkanische Muschrabiyyas

Als drittes Objekt stand das Primar- und Basisstufengebäude Neuhegi auf dem Programm. Ein zweistufiger Wettbewerb mit einer pädagogischen Vorprüfung der ersten 20 Projekte auf Konzeptstufe führte zur Realisierung einer von Belichtung und Konstruktion durch den Industriebau inspirierten Lernlandschaft im Dachgeschoss über der Turnhalle.

Lernlandschaft auf dem Dachgeschoss

Danach folgte ein Abstecher zum Neu- und Umbau der Sekundarschule Hinterbirch in Bülach. An Beginn des Schulraumentwicklungsprozesses stand eine Zukunftswerkstatt, an welcher auch Schüler*innen vertreten waren. In der Phase 0 wurden mit dem Kollegium Leitsätze zuhanden des 2-stufigen Architekturwettbewerbs erarbeitet. Die «Kunst am Bau» finanzierte einen Schülerwettbewerb, den eine Schülerin mit Sitzgelegenheiten in Form zweier übergrossen Hände gewann, welche mit Mosaikbeiträgen sämtlicher Schüler*innen überzogen wurden.

Natürliche Belüftung über Mehrzweckraum/Mensa im Neubau

Beim letzten auf der Reise besuchten Objekt ging es um Nachhaltigkeit und Haptik. Beim Bau des Basisstufengebäudes wurde Lehm als Bodenbelag und Stampflehm für eine Aussenwand verwendet.

Der Bodenbelag beim Basisstufengebäude Allenmoos enthält Lehm – die Aussenwand im Hintergrund besteht ausschliesslich aus Stampflehm.

Die Exkursion endete im KUBUK, dem Neubau der Fachhochschule Nordwestschweiz. Das Gebäude konnte von einem grossen Teil der Exkursionsteilnehmer*innen während der zwei Tage des Schulbausymposiums im Betrieb erlebt werden. Die an der Exkursion Teilnehmenden wurden aufgefordert, alle besuchten Bauten als Gesamteindruck von aussen und von innen unter dem Leit-Kriterium von Christopher Alexander, dem «Grad der Lebendigkeit» auf einer Skala zwischen 1 und 10 zu beurteilen.

Gedeckter Innenhof mit Freitreppenanlage im KUBUK, dem Neubau der FHNW in Muttenz.

2. Vorträge, Referate und Artikel
Neben Studierenden, die sich mit dem Thema im Rahmen von expliziten Seminaren auseinandersetzen (s.o.), ging es aus Sicht des Projektpartners PH FHNW darum, insbesondere Lehrpersonen und Dozierende im Hochschulbereich zu erreichen. In diesem Zusammenhang wurden u.A. folgende Aktivitäten durchgeführt:

  • Beitrag zur Weiterbildung zur Lern- und Schulraumentwicklung im Schulblatt Aargau 17/2918 von Ulrich Kirchgässner.
  • Zwei Workshops zum Thema Professionelle Lern-  und Schulraumentwicklung für Praxislehrpersonen im Rahmen der Themenforen der berufspraktischen Studien am Institut Primarstufe am 24. Januar 2020 in Brugg, und 29. Januar 2020 in Muttenz von Ulrich Kirchgässner.

  • Posterpräsentation am Hochschultag der Pädagogischen Hochschule FHNW in Muttenz am 21. März 2019 von Ulrich Kirchgässner.

  • Von Lehr- und Bauplänen – ein pädagogischer Blick auf Schulbauten – Vortrag auf dem Forschungskolloquium am Institut Primarstufeam am 5. Juni 2019 in Muttenz von Cornelia Dinsleder & Ulrich Kirchgässner.

  • In welcher Form kann Partizipation der Schüler*innen in der Gestaltung der räumlichen Lernumgebung ermöglicht werden? – Präsentation des Bildungsprojektes PULS+ und dem Seminar LernRAUMlabor am Tag der offenen Tür  der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Campus Muttenz am 11. Mai 2019 von Cornelia Dinsleder.

  • Lernorte und Heterogenität – heterogene Lernorte?- Präsentation auf dem Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung und der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung am 27. Juni 2019 von Cornelia Dinsleder & Ulrich Kirchgässner.

  • Professionelle Lern- und Schulraumentwicklung – Workshop auf dem Bildungs- und Schulleitungssymposium in Zug am 26. September 2019 von Petra Moog & Ulrich Kirchgässner.

  • LernRAUMlabor – Lernwelten im Dialog entwickeln – bauen – testen – Vortrag von Andreas Hammon und Workshop von Andreas Hammon & Ulrich Kirchgässner) am 25. November 2019 auf dem Treffen des Netzwerkes Schulentwicklung und kantonales Schulnetz21 in Basel.

  • Das 3. internationale PULS+ Symposium “Nachhaltige Beteiligung?! Vom Schul(um)bau zur Lernraumentwicklung” fand am 27. und 28. Februar 2020 an der PH FHNW statt. Einen Überblick zu den Inhalten und den Beitragenden des Symposiums finden Sie hier.

  • Webinar am Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung der PH Zürich zu dem Thema: “Lernen und Räume gestalten” am 7. April 2020 (Cornelia Dinsleder/Ulrich Kirchgässner). Das Webinar steht unter diesem hier als offenes Angebot (OER) allen Interessierten zur Verfügung.

Anmerkungen zum Webinar
Der Hinweis auf diese Vermittlungsmöglichkeit entstand aus dem Kontakt zur Arbeitsgruppe Hochschulforschung und Hochschuldidaktik der Schweizerischen Gesellschaft für BIldungsforschung (SGBF) heraus. Zunächst völlig unabhängig von Einflüssen und Auswirkungen der Corona-Pandemie entwickelt, erwies sich dieses Format in der Phase des Lockdowns als sehr passend.

Die Angebote des Zentrums für Hochschuldidaktik und- entwicklung  richten sich an Dozierende und Leitungspersonen von Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen, Höheren Fachschulen und weiteren Bildungsorganisationen im Tertiärbereich. Die Teilnehmendenzahl von 43 sowie die Rückmeldungen bestätigten, dass dieses Thema nicht nur um Schulbereich, sondern auch im Hochschulbereich äusserst aktuell, fast schon prekär ist. Die Form als Onlineseminar ist hier insbesondere deshalb hilfreich, weil die geografischen Entfernungen der Beteiligten unbedeutend werden. Der virtuelle Raum erweist sich als geeignet, Menschen, die in diesem Fall in der deutschsprachigen Schweiz verteilt wohnen, schnell und unkompliziert mit (neuen, evtl. auch unbekannten) Themen auf zunächst unverbindliche Art und Weise (Angebotscharakter) in Verbindung zu bringen und sie dafür zu gewinnen.

Lernräume ermöglichen und verhindern Foto | U. Kirchgässner
Lernräume ermöglichen und verhindern [Foto | U. Kirchgässner]

Seminar 2
Ein Reallabor in der Praxis vor Ort durchführen: Diese Form des Reallabors ist ein von Andreas Hammon (Mitglied im PULSverbund) entwickeltes Konzept der räumlich gestützten Schul- und Unterrichtsentwicklung. Im Rahmen einer Projektwoche beschäftigen sich zunächst Studierende selbst mit Lernraumszenarien, dann entwickeln Schülerinnen und Schüler, unterstützt und gecoacht durch die Studierenden (sowie die Seminarleitung), eigene Ideen von Schulmöbeln und bauen diese mit stabiler Wabenpappe in Originalgrösse. Zum Abschluss der Projektwoche werden die «Produkte» einer erweiterten Öffentlichkeit (Eltern, Interessierte) präsentiert. In dieser Weise werden vom konkreten Tun und Herstellen Impulse auf Lehr- und Lernformen gesetzt. Ausserdem wird den Studierenden wie auch den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, sich Raum und Material in einer intensiven Art zu eigen zu machen.

Arbeiten im Reallabor 
Foto | S. Drugzani
Arbeiten im Reallabor [Foto | S. Drugzani]

Seminar 3
Zu dem Thema Schule der Zukunft: Architektur – Lernraum – Ästhetik fand im Frühsemester 2020 ein interdisziplinäres und multinationales Seminar für Architekturstudierende der Universität Innsbruck und Lehramtsstudierende der Pädagogischen Hochschule FHNW statt. Der Lockdown in Österreich und in der Schweiz erforderte eine Umstellung auf Distance-Learning-Formate. Die ursprüngliche Ausrichtung auf persönliche Begegnung, gegenseitige Anregung und Kooperation von Studierenden unterschiedlicher Hochschulen und Fächer wurde auf digitale Formate und Kommunikationsformen umgearbeitet, wobei die Inhalte im Wesentlichen beibehalten wurden.
Zunächst erarbeiteten die beiden Seminargruppen unabhängig voneinander thematische Grundlagen. Im folgenden Schritt entwickelten die Pädagogik-Studierenden in Gruppen pädagogisch-räumliche Konzepte, die wiederum als Grundlage für Entwürfe der Architekturstudierenden für Schulbauten und Lernräume dienten. Diese Entwürfe wurden in einem gemeinsamen Onlineseminar  vorgestellt, kritisch gewürdigt, anschliessend weiterentwickelt und in einem letzten Onlinetreffen präsentiert. Als Ergebniss aus den pädagogischen Überlegungen und architektonischen Umsetzungen wurden Broschüren zusammengefasst.

«Der Grüne Faden»: Entwurf aus dem Seminar «Schule der Zukunft»
Von: FREY LUCIA PRANTNER ROBERT, Viessmann Eva
«Der Grüne Faden»: Entwurf aus dem Seminar «Schule der Zukunft»
Von: FREY LUCIA PRANTNER ROBERT, Viessmann Eva

Grundsätzlich wird in der Auseinandersetzung mit dem Thema der Lernraumentwicklung sowie in der konkreten Arbeit mit Studierenden und Lehrpersonen deutlich, dass es für die pädagogischen Akteure (Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler) auch Mut braucht, «in Stein gehauene», feste Materialitäten als nicht für die Ewigkeit gegeben zu begreifen. Vielmehr müssen wir lernen, Raum  als Gestaltungsraum zu begreifen, der trotz Gewohnheiten, gesetzlichen Vorgaben und selbst auferlegten Regeln veränderbar ist. Dann kann es gelingen, Raum, Zeit, Inhalt und auch unsere pädagogischen Überzeugungen zu «verflüssigen» bzw. ins Fliessen zu bringen.

Ulrich Kirchgässner & Urs Maurer